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Das Tzatziki-Attentat

Q.U.I.C.H.E.

Als kulturschaffende Person lebe ich meistens unter der Armutsgrenze. Gleichzeitig bin ich immer wieder mit den obersten Riegen der Gesellschaft konfrontiert. Manchmal, weil ich mich anbiedern muss, um mir ihre Unterstützung zu sichern. Manchmal einfach, weil ich durch die gleichen Räume wandle.

Die Elite aus Wirtschaft und Politik zeigt sich gerne auf Vernissagen. Besonders gerne natürlich, wenn sie den Glamourertrag der Kultur für sich auch finanziell verbuchen kann: Zeigt ein Museum ein Gemälde aus der Sammlung des Herrn Von und Zu, ist das Bild danach noch mehr wert. Vielleicht weil das zum Verkaufsplan von Herrn Von und Zu gehört. Vielleicht möchte der Herr den Preis des Werks künstlich hoch bewerten lassen, um es dann der ausstellenden Institution zu stiften. Er kann die aufgebauschten Millionen von seinem steuerbaren Einkommen abziehen.

Reise ich für eine Ausstellung ins Ausland, so bin ich gerne mal von Botschafter:innen und anderen politisch Umtriebigen in dezenten Anzügen aus feiner Wolle umgeben. Die Kunstwerke, die für mich eine Methode sind, mich dem Wahnsinn der Welt zu stellen, werden dann zu Exporten im Dienste einer nationalen Identität. Dieses Spiel zwischen Nationalismus und Kunst findet seinen Höhepunkt alle zwei Jahre im Länderpavillonwettbewerb der Venedig-Biennale. Da sind wir Kunstschaffenden auch Repräsentant:innen einer Kulturnation.

Ausblenden oder Beschmieren?

Grundsätzlich sind wir Kulturschaffende recht gut im Ausblenden solcher Widersprüche und Konfrontationen. Anders wäre es kaum auszuhalten, dass auf einer Museumsvernissage der bestverdienende CEO der Schweiz vom Podium herab spricht. Anders wäre es nicht zu ertragen, dass durch die zum Museum umgebauten Brauereiräume im Engadin eine milliardenschwere Minenwitwe schwebt.

Wenn ich beispielsweise in einer proseccoschlürfenden Runde stehe und dort die besten Yachtanlegestellen besprochen werden. Da nicke ich still und demütig, als stimmte ich zu. So eine Yacht ist eben nicht nur ein Vergnügen. Das schwimmende Schmuckstück kommt mit Verantwortung. Und mit Dilemma: Auf der einen Seite will man im Hafen von Nizza oder Split gesehen werden. Auf der anderen Seite möchte man Privatsphäre.

Richtig schwierig wird es für mich, wenn die Reichen und Mächtigen, denen ich an Kulturanlässen begegne, auch noch berühmt sind, wenn ich mit ihnen politische oder kulturelle Bilder verbinde. Was mache ich beispielsweise, wenn ich am Vernissagebuffet stehe, das stumpfe Schmiermesser in der Hand, und Roger Köppel geht vorbei?

Nichts, natürlich. Kürzlich war ich in Deutschland auf einer Vernissage in der Nähe der Europäischen Zentralbank. Ganze Schwärme wohlfrisierter Millionär:innen aus dem Taunus waren angereist. Sicher waren sie auf ihrem Weg von Bad Homburg an dem Basaltgedenkstein vorbeigefahren, welcher an das RAF-Attentat auf den Deutsche-Bank-Direktor Alfred Herrhausen erinnert. Nun standen sie im Museumsgarten und warteten in langen Schlangen auf Limoncello-Spritz. Christine Lagarde liess sich, sicher gepanzert in einem Chanel-Kostüm, die akademischen Aktmalereien der Ausstellung zeigen. Ihre Bodyguards traten währenddessen dezent in den Hintergrund. Die Museumsräume taxierten sie wohl als Terrain mit überschaubarem Risiko. Aber ich konnte mein Bedürfnis, die Lage für die Präsidentin der Europäischen Zentralbank ein wenig unsicherer zu machen, kaum unterdrücken. Wie gerne hätte ich aus Solidarität mit den griechischen Rentner:innen, eine grosse Schüssel Tzatziki auf Frau Lagarde geworfen. Aber – wie so oft – war ich ohne Tzatziki unterwegs. Ein grober Fehler. So entkam die EZB-Direktorin unbeschmiert in ihre mit Designmöbeln verstellte Fledermaushöhle, in welcher sie in meiner Vorstellung haust.