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Mika Rottenberg – Antimatter Factory

Q.U.I.C.H.E.

Mika Rottenbergs Arbeit wird gerne in den blumigsten Worten beschrieben. Das art-Magazin schreibt anlässlich des neuen Brunnens, der im Rahmen der Ausstellung im Museum Tinguely im Solitude-Park errichtet wurde, über Rottenberg: «In ihren surrealen Videos voll Humor sprudelt Mika Rottenberg vor Ideen». Gesprudelt wird ohne Frage reichlich. Es wird geglitzert und gedampft. Genossen wird auch; also im Sinne von Rotz-durch-die-Nase-blasen. Beschwingt kommt die Ausstellung Antimatter Factory mit viel guter Laune daher. Sie ist voller bunter Displays und herrlich bizarrer Videoarbeiten. Es ist eine Ausstellung, in der man eine richtig gute Zeit haben kann. Aber vielleicht auch eine zu gute Zeit…

Die Themen, die Rottenberg aufgreift, sind nämlich durchaus von Gewicht. Es geht um Arbeit, um Ausbeutung, Betrug oder generell undurchsichtige Machenschaften des Spätkapitalismus. Diese Schwerpunkte mögen ein wenig irritieren in der Art, wie sie behandelt werden. In Rottenbergs Universum wechseln sich reale und fiktive Welten ab. Die tristen Bilder von Arbeiterinnen in einer chinesischen Perlenfabrik werden beispielsweise kontrastiert (und durch eine Kurbel verbunden) mit humorvollen Aufnahmen einer Fabelwesenfrau, die durch Niesen Fast Food produzieren kann. Der Blick auf die realen Arbeiterinnen bekommt damit etwas heiter Exotisierendes. Als wären die Frauen in ihren dicken, grauen Jacken, die mit blossen Händen an Muscheln und Austern rumschneiden, mehr lustige Erscheinung in einer abstrusen, aber magischen Wertschöpfungskette. Ich muss irgendwie an Willy Wonkas Oompa Loompas denken, wo alles so lustig bunt und quietschig daherkommt, dass man gar nicht so direkt merkt, wie weiss und privilegiert der Blick ist, mit dem man auf unfreie Arbeitende schaut.

Das Thema Arbeit dehnt Rottenberg auch jenseits der Fabrik aus und landet beim menschlichen Körper und den Prozessen, mit denen dieser dauerhaft arbeitet. Spezifisch interessiert sie sich für wachsende Haare und Fingernägel. In der Ausstellung finden sich eine Vielzahl von wackelnden Pferdeschwänzen aus synthetisch buntem Kunsthaar und drehende Finger mit langen, bunt geschmückten Fingernägeln. Es hat ein wenig was von Cronenbergschem Body-Horror, wie die Körperteile hier an Maschinen oder in Wänden stecken. Aber gerade die Nägel und der schwingende Haar-Pferdeschwanz lassen aber auch an die schwarze Ballroom-Queer-Community denken. Die Arbeiten sind recht stark queer-gecodet und besonders das Wippen oder Flippen der Haare, ist etwas, das man spätestens seit Ru Paul’s Drag Race als «Hairography» kennt. Wirklich zur Sprache kommt aber auch diese Referenz nicht. Weder Titel noch Texte verweisen auf die kulturell sehr aufgeladene Inszenierung von arbeitenden Körperteilen.

Wer arbeitet hier also? Und für wen? Und mit welchen Privilegien oder Abhängigkeiten? Welche Antimaterie wird hier im Museum von Rottenberg produziert, beziehungsweise was lässt sie von anderen produzieren? Und welche Produkte aus welchen Fabriken nimmt sie sich, um damit ihren eigenen Kosmos mit aller Materie und Antimaterie zugleich zu bauen? Die Art, wie Referenzen und Motive aufgenommen, verwoben und dann rekontextualisiert werden hat etwas Erfrischendes und Bestechendes. Aber leider hat es im gleichen Zuge etwas Unreflektiertes.